Gewachsene Kulturlandschaft | Durch land- und forstwirtschaftliche Nutzung entstand hochwertige Struktur
Mit Stefan Golze (links) stimmten (von links) CDU-Landtagsabgeordneter Martin Bäumer sowie die Kreistagsabgeordneten Joachim Stünkel und Günther Kelter überein, dass die Einrichtung eines LSG sinnvoller sei. Foto: Rudloff
DASSEL/WELLERSEN - DASSEL/WELLERSEN. Bei Ortsterminen in Wellersen und Dassel informierten sich die Politiker zusammen mit Anliegern, Interessierten und Martin Bäumer, CDU-Umweltsprecher und stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion im Niedersächsischen Landtag. In vielen Bereichen sei es sinnfrei, ein NSG auszuweisen, so Joachim Stünkel, Vorsitzender des CDU-Stadtverbands.
Dazu zählen Teile der Umgehungsstraße oder des Gewerbegebiets in Dassel, aber auch ein Acker bei Wellersen oder ein mögliches Baugrundstück in Krimmensen. Der Landkreis Northeim plante, die Umwandlung in ein NSG. Das habe große Folgen unter anderem für Anlieger, Landwirte oder Forst. Im Rahmen des Verfahrens waren Bürger aufgerufen, Einwände oder Anregungen vorzubringen. Viele kamen dem nach. Ortstermine gab es nicht, die Grenzen des Gebiets wurden nach Karten festgelegt.
Nachdem die Kreisverwaltung die Eingaben bearbeitet hatte, sollten Beratungen und Entscheidungen im Ausschuss für Bau, Umwelt und Regionalplanung, im Kreisausschuss und Ende des Jahres im Kreistag folgen.
Bäumer war verwundert über den späten »Schnellschuss« des Landkreises Northeim. In seinem Landkreis befasse man sich seit fünf Jahren damit, die Bürger wurden aktiv im Prozess mitgenommen. Jetzt komme ein LSG.
Das Niedersächsische Umweltministerium und der Landkreistag beschlossen bereits vor sechs Jahren eine politische Zielvereinbarung.
Die Sicherung aller FFH-Gebiete im Bundesland sollte bis 2018 abgeschlossen sein. Dies verzögerte sich.
Einige schafften es im Zeitrahmen, andere habe damit erst gerade begonnen.
Im Glandorfer Ortsteil Westendorf Familie Golze in einem alten Haus auf dem Land und betreibt ein Hühnermobil. Werde der eigene Grund und Boden zu einem NSG, nehme man den Landwirten die Lebensgrundlage
weg.
Das Schutzgebiet hat eine Größe von 738 Hektar. Der Bereich umfasst den überwiegend naturnahen Gewässerlauf der Ilme und erstreckt sich von den Quellbereichen im Solling bis zur Einmündung bei Einbeck. Auch das Gebiet des Hahnebachs bei der Ahlsburg und die Niederungen der Dieße von Lauenberg bis zum Einfluss in die Ilme bei Holtensen zählen dazu.
NSG-Ziele waren laut Entwurf des Landkreises Bewahrung und Wiederherstellung günstiger Erhaltungszustände, insbesondere prioritärer Lebensraumtypen. Zahlreiche Regulierungen gab es. Hunde müssten an der Leine geführt werden, Wasserentnahme aus Gewässern zum Beispiel für Weidetiere wäre untersagt gewesen, Radfahren auf unbefestigten
Wegen verboten. Freistellungen existierten – teilweise aber nur mit Absprache mit der Unteren Naturschutzbehörde. Dazu zählten:ordnungsgemäße Ausübung von Jagd sowie landwirtschaftlicher Bodennutzung und Fischerei.
Vom Landkreis Northeim wurden in den vergangenen Jahren diverse Gebiete neu verordnet oder ausgewiesen, teilte Jens Brandes, Landwirt aus Krimmensen und stellvertretender Vorsitzender vom Landvolk Northeim-Osterode, mit. Der Unterschied sei, dass bei LSG laut Bundesnaturschutzgesetz alles erlaubt sei, was nicht expliziert verboten sei; bei NSG treffe genau das Gegenteil zu. Viele monierten auch, dass sie erneut etwas wie eine »Käseglocke« übergestülpt bekommen sollten und kein Mitspracherecht hätten.
Die Wahl der Schutzkategorie sei dem Verordnungsgeber, vor Ort dem Landkreis Northeim, überlassen, teilte Stünkel mit. Während Nachbarkreise LSG vorziehen, wollte man hier ein NSG. Dass es auch anders gehe, siehe man am Schutzgebiet »Schwülme«, sowohl Landkreis Göttingen als auch Northeim bevorzugten ein Landschaftsschutzgebiet.
Niko Alten von der Ziegelei Alten in Wellersen erklärte, dass in der Vergangenheit viele Gehöfte am Fluss entstanden.
Das Betriebsgelände grenze an die Dieße. Immer mehr Auflagen und Hemmnisse kommen auf einen zu. Mit dem FFH-Gebiet konnte er gut leben; doch wer weiß, was mit einem NSG an Regulierungen und Managementplänen komme.
Vor Ort habe man eine schöne und lebenswerte Kulturlandschaft, Infrastruktur wie Internetanbindung, Stromnetz und Straßen werden vernachlässigt. Zehn Meter Schutzstreifen am Gewässer wollte der Landkreis einrichten; würde man dies direkt in Hannover an der Leine probieren, »wäre richtig was los.«
In der ländlichen und strukturschwachen Region sollte man Betriebe unterstützen und nicht noch mehr reglementieren, so Alten. Die Kreisverwaltung habe in den vergangenen Jahren das Thema der Schutzgebietsausweisung vernachlässigt und wollte es jetzt mit
Druck durchpeitschen. Das gleiche fast einer »Enteignung«, hieß es von einigen Teilnehmern des Ortstermins.
Wenn ein Naturschutzgebiet ausgewiesen würde, könnte man es nicht mehr zurückdrehen, so Bäumer. Hinzu sollten nach Einrichtung auch noch Managementpläne kommen, wie das Gebiet später zu pflegen und zu bearbeiten sei. Es müssten Gespräche und Informationstreffen
erfolgen, um gute Lösungen zu finden.
Die NSG-Ausweisung sei für Eigentümer und Bewirtschafter ein herber Eingriff in die Vermögens- und Bewirtschaftsstruktur sowie mit starken finanziellen Einbußen verbunden, erklärte Stefan Golze vom Hof »Ilmeaue« in Dassel. Ein Naturschutzgebiet ziele auf den Schutz einer wenig von Menschen überprägten Landschaft ab, Landschaftsschutzgebiete richten sich an kultivierte Areale. Wäre die verschärfte Version gekommen – wie zuerst
geplant –, sei sie existenzbedrohend für viele Eigentümer und Nutzer.
Fälschlicherweise wurde auch seine Hofstelle dem zukünftigen Gebiet zugewiesen. Ein Wirtschaftgraben zur Erzeugung von regenerativen Ideen wurde zudem als »Ilme« deklariert.
An das geplante NSG grenzen Wiese mit Hühnermobilen, Schule mit Pausenhof, Mehrzweckhalle, Parkplätze oder Umgehungsstraße mit Kreuzung. In der Nachbarschaft sind viele Einkaufsmärkte. Durch die zahlreichen Einflussfaktoren sei per Definition also nur eine Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet möglich, so Golze.
Die Deklarierung eines Naturschutzgebietes stelle für Eigentümer der Flächen und Bewirtschafter ein herben Eingriff in Vermögens- und Bewirtschaftungsstruktur dar – verbunden mit starken finanziellen Einbußen. Für die überwiegend durch land- und forstwirtschaftliche
Bewirtschaftung entstandene gute ökologische Struktur sei die Ausweisung als
Landschaftsschutzgebietes zielgerichteter, dafür setzt sich die Dasseler CDU ein. Laut Information vom gestrigen Freitag sei von Landrätin Astrid Klinkert-Kittel jetzt geplant, eine neue Verordnung unter Berücksichtigung der Eingaben zu erstellen sowie statt eines NSG
ein LSG einzurichten. mru